AuFBRUCH IN Dl E GOTI セc@
DER MAGDEBURGER DOM LJND
DIE SPÄTE STAUFERZEIT
Band II
Katalog
Landesausstellung Sachsen-Anhalt aus Anlass des 8oo. Domjubiläums
Herausgegeben von Matthias Puhle
Verlag Philipp von Zabern • Mainz
494
STÄDTI SC HES LEBEN IM AU FS CHWUNG
KAPITEL VIII
Zusammenhang mit dem im Hochmittelalter beliebten
Kompendium des >>PhysiologuS<< (um 200 n. Chr.), in dem
Tier- und Fabelwesen mit ihren Eigenschaften beschrieben
werden.
auch an anderen zeitgleichen und späteren Gussformen
Vlll. 62
machen, so dass hierin nicht nur eine rein zufällige Erscheinung, sondern eine funktionale Intension der mittel-
GUSSFORM FÜR ZEICHEN MIT
KREUZIGUNGSSZENE UND DREIECKSSPA NGE
alterlichen Gießer zu sehen ist.
Generell datieren die Anhänger mitdurch brochener figü r-
Magdeburg, Regierungsstraße 7- 8, vor 1284
licher Darstellung von der Mitte des 12. Jahrhunderts bis in
Kalkstein , zweiteilig, beide Teile zerbrochen , beid seitig graviert,
Sägen oder Abschlagen nach vorheriger Anzeichnung mit-
das erste Viertel des 13- Jahrhunderts. Während die Exem-
Teil 1 (102): L 16,7 cm, B 11,2 cm, S 1.7 cm, Teil 2 (Fund -Nr. 1459):
tels Reißnadel hergestellt. Daranschlossen sich Schleif- und
plare aus Wanzleben und Breitenhagen Einzelfunde sind,
stammt der Magdeburger Anhänger aus einer Abfa llgrube
des 12./13- Jahrhunderts. Ab der Mitte des 13- Jahrhunderts
495
Aus einem Rohstein hat man die Grundform jeweils durch
nicht ausgestellt
Glättarbeiten der Oberflächen an. Die Ausarbeitung der
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologi e SachsenAnhalt- Landesmuseum für Vorge schichte, Fund -Nr. 102
Gussmotive erfolgte ebenfa lls nach Vorritzung entweder
ein- oder beidseitig im Anschluss und in verschiedenen
Qualitätsabstufungen. Neben gebräuchlichen Schnitz-
scheinen die Anhänger in romanischer Durchbruchszier
aus der Mode zu kommen. S. Felgenhauer-Schmiedt ver-
Bei einer archäologischen Ausgrabung des Landesamtes
werkzeugen setzte man dazu des Öfteren Zirkel - und Fräs-
weist in diesem Zusammenhang auf ein Verbot des Gene-
für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen -Anhalt im Be-
apparaturen sowie diverse Bohrerarten ein. Konzentrisch
ralkapitels des Zisterzienserordens aus dem Jahre 1233;
reich der heutigen Regierungsstraße 7-8, unweit der ehe-
verlaufende Rillen und zentrale Vertiefungen belegen bei
demnach sollten Pferde keinen >>kuriosen« Brustschmuck
maligen Heilig-Geist-Kirche in der Altstadt Magdeburgs,
vereinzelten Motiven überdies die Verwendung einer kon-
soo Guss-
tragen. Dabei könnte es sich um die durchbrochenen An-
wurden 2005 rund 780 steinerne Teile von fast
hänger mit unterschiedlichen Fabel- und Mischwesen han -
formen in einer Grubenverfüllung geborgen. Der Abfall
deln.
gelangte mutmaßlich mit Aufgabe einer Werkstatt vor
Naturwissenschaftlichen Untersuchungen zufolge dienten
1284 in den Boden, da im Anschluss das Gelände mit dem
die Formen dem seriellen Guss von Zinn -Bieilegierungen,
denen man gelegentlich- vermutlich mit der Absicht zur
tinuierlich rotierenden Drehbank.
Die Herstellung qualitativ hochrangiger Anhänger setzt
St. Annen -Hospital bebaut wurde. Im unmittelbaren Um-
handwerkliches Geschick und Wissen voraus. Die An -
feld der Fundstelle dokumentierte Herde und Öfen belegen
Härtesteigerung-geringeAnteile Kupfer zulegierte. Ihr
hänger sind aus Kupfer bzw Kupferlegierung gegossen,
den Kontext einer Feinschmiede.
Guss erfolgte je nach Gussform entweder im Voll- oder
ihre Schauseite ist meist ziseliert und feuervergoldet. Es
Kerngussverfahren bzw im Sturzguss. Die Fertigprodukte
Vlll.62
Der ehemals als Goldschmiedebrücke bezeichnete Stra-
könnten zur Steigerung ihres optischen Eindrucks mögli-
Schwerpunkt der Verbreitung im mitteldeutschen Raum
ßenzug, an dem die Werkstatt stand, verband die Bürger-
cherweise farblieh gefasst oder lüstriert worden sein, um
lässt eine Verortung der Werkstätten im Umfeld des Har-
stadt im Norden mit dem südlich gelegenen Dombezirk.
edleres Metall zu imitieren. Hinweise auf die Verarbeitung
in Europa dar. Für die Erforschung der damaligen Hand -
zes bis zur Eibe vermuten. Unter den Fundorten überwie-
Dort lag das Gildehaus der Goldschmiede. Feinschmiede
von echten Edel- und Buntmetallen waren indes nicht fin-
werkstechnologie stellen die Stücke eine unschätzbar wert-
gen Burgen. Bisher kann über den Fund eines Halbfabri-
produzierten vor Ort und konnten ihre Erzeugnisse an der
den, was sich aber nach Gussversuchen überhaupt als ab-
volle Quellenbasis dar. ln einzigartiger Weise können alle
kates eine Herstellung nur für Braunschweigerschlossen
Durchgangsstraße absetzen.
wegig herausstellte. Ihr Guss hätte unvermeidlich starke
gibt auch Stücke, die getrieben und geschnitten sind. Der
werden.
Heike Pöppelmann
LiTERATUR
Ausst.-Kat. Magdeburg 1992, S. 233 Kat.Nr.ll.234 (Heidelore Schulz).
- Felgenhauer-Schmiedt 1995, S. 202-203.- Feller-Knippmeier
2009.- Geisler, Grebe 1993, S. 91-92, Abb. 79.- Krabath 2001b,
S. 232-251.- Lungershausen 2004, S. 96-100.- Matthies 1991,
Teil 1, S. 44-46, Teil 2, S 148, Nr. 106, Teil 3, Abb. 26,10.- Nickel 1962.
-Nickel 1964, S. 23 f., Abb. 57a, Taf. 64,c.
•
Schritte der Form prod u ktion, die Formkonstruktion und der
Beschädigungen am Kalkstein infolge seiner Zersetzung
nutzungsbedingte Verschleiß dieser Werkzeuge abgelesen
Als Rohstoff für die lokale Produktion der Gu ssformen
sowie erhebliche Verfärbungen nach sich gezogen. Solche
werden. Die Vielfältigkeit der Stücke erschließt darüber hi-
diente feinkristalliner, mergeliger Kalkstein wie er bei-
Gebrauchsspuren sind aber an keiner der Magdeburger
naus erstmals das Produktionsspektrum einer Werkstatt,
spielsweise im nördlichen Harzvorland bei Thale oder im
Gussformen vorhanden.
die in Serienfertigung wahrscheinlich am überregionalen
oberen Elbtal ansteht. Das relativ weiche Materiallä sst sich
Absatz orientiert produzierte. Der Formenkanon übersteigt
vorzüglich durch Bohren, Drehen, Gravieren und Sägen be-
Zu den über die Formen erschließbaren Fertigprodukten
bei Weitem den bislang durch Fertigprodukte überlieferten
arbeiten. Sowohl Formen für solitäre Gegenständ e als auch
gehören Körperschmuck {Fingerringe, Kronen), Trachtbe-
Bestand. Die Ziergegenstände und Zeichen aus Weißmetall
solchefür Kleinserien Iiegen im Korn plex vor. Ein zelformen
standteile {Spangen, Knöpfe, Applikationen, Ziernägel, Per-
stellten eine günstige Alternative zu den Ausführungen aus
können aus bis zu acht Passstücken zusammengefügt sein,
len), Accessoires {Spiegelkapse ln, Riech kugeln), Tafelgerät
Kupferlegierungen oder Edelmeta ll dar. Der Fundkomplex
die entweder einseitig oder beidseitig als Wechselformen
{Löffel, Teller, Salzfässer, Leuchter) sowie Spielzeug (Minia -
belegt die frühe Existenz vieler Gegenstände im euro-
verwendbar waren. Der korrekte Sitz der Formteile wurde
turgefäße, Tierplastiken). Es überwiegen bei den Bildinhal-
päischen Binnenland, die erhaltungsbedingt bislang im
beim Gussvorgang durch Metallpassstifte und durch Klem-
ten deutlich profane gegenüber sakralen Themen. Letztere
Feuchtbodenmilieu beispielsweise der Niederlande ge-
men, Drahtung oder Verschnürung sichergestellt.
sind mit höchstens fünf Formen vertreten. Stilistisch leh-
borgen werden konnten. Für viele Formen liefert die Mag-
nen sich viele Schmuckstücke an Ede lmetallvorbilder an, je-
deburger Fundstelle den frühesten zuverlässigen Datie-
Die Grundform der Modeln scheint indes standardisiert ge-
doch wird auch eine eigene Formensprache und Dekoration
ru ngsa nsatz.
wesen zu sein. Regelhaft treten Gussformteile vo n recht-
entwickelt, die erst durch das detailreich bearbeitbare Roh-
eckiger, häufiger jedoch von trapezförmiger Gestalt auf Die
material der Gussformen und die im Guss fein zeichnen-
Die Vorderseite der Form diente zur Herstellung von Zei -
Kanten der ungravierten Rückseiten sind zum überwie-
den Zinn-Bleilegierungen ermöglicht wurde.
chen oder Applikationen mit der Darstellung von Christus
genden Teil gefasst. Oft hat man eine oder mehrere Ecken
am Kreuz. Der nimbierte Christus wurde mit drei Nägeln
der Stücke angeschrägt, woraus fünf- bis achteckige Stein-
Die Magdeburger Funde stellen den bisher größten be-
angeschlagen. Über beiden Seiten seines Kopfes schwebt
platten resultierten. Ähnliche Beobachtungen la ssen sich
kannten mittelalterlichen Komplex steinerner Gussformen
jeweils ein Engel. Beidseits des lateinischen Kreuzes mit
496
KAPITEL VIII
STÄDTISCHES LEBEN IM AUFSCHWUNG
dreieckig auslaufenden Balken stehe n auf dem nur durch
497
ruhende Bögen mit punktiertem Au ßenra nd. Diese werden
einen Steg angedeuteten Boden Maria rechts und Johan-
alternierend von frontal dargestellten menschlichen Halb-
nes links. Details der Tracht und Körper werden durch feine
figuren in adoranter Haltung und vierbeinigen Tieren
Linien und Punkte angedeutet. Diese Darstellung gehört zu
(Löwen oder Hunden?) eingenommen, die entgegen dem
den wenigen sakralen Motiven des Magdeburger Fundes.
Uhrze igersinn dahinschreiten.lnnerhalb der Bögen führen
Die sonst an sakralen Ze ichen üblichen Ösen zur Befesti-
16 schmale Bohrungen ins Innere des Kalksteins, wo sie in
gung fehlen, so dass das Gussstück möglicherweise erst
13 breitere Kanäle münden. Diese wiederum führen jeweils
nach der Herstellung gelocht wurde.
zu den Seitenflächen nach außen und dienten wie die
Die gleichfalls gravierte Rückseite des Formstücks war dem
der Form beim Gießen. Gleichzeitig mit der Spange konnte
Guss von dreieckigen Spangen samt Spangendorn zu-
durch Einlegen eines kleinen Gusskernes der sc hwertför-
Windpfeifen auf den Passflächen sicherlich der Entlüftung
gedacht. Das Motiv erscheint a ufgru nd derschIechten Aus-
mige Dorn zur Befestigung der Spange gefertigt werden
arbeitung unvollendet. Die Überlieferung der zweiten
(Kat.Nr. Vlll.65- 68).
Formhälfte verdeutlicht jedoch, dass es sich nur um die
Vlll63
Rückseite der Spange handelt. Die Vorderseite und damit
Zweifellos ahmt das für den Gewandverschluss am Hais-
v1116 5
Schauseite des Objektes hat man detailreich verziert. Im
aufzufassen. Außer leichten Verfärbungen zeigt die Guss-
ausschn itt bestimmte Schmuckstück ein Vorbild aus edle-
Vergleich zu anderen Formen des Magdeburger Fundkom-
form keine klaren Benutzungsspuren.
rem Metall nach. Die zeitgenössische Trageweise ein-
Exemplar des 13- Jahrhunderts. Die Magdebu rger Gussform
facherer Schmuckstücke kann bei den Klugen und Törich-
sichert erstmals eine kontinentaleuropäische Fertigung dieser Schmuckstücke.
plexes erfolgte dies jedoch, wie auch die Gravur des GeApplikationen und Nägel mit ornamentierten Köpfen fin-
ten Jungfrauen am Querhausportal des Magdeburger
den seit dem frühen 13- Jahrhundert einen vielfältigen
Domes sowie am Magdeburger Reiter studiert werden.
Einsatz zur Dekorat ion von Tracht und Ledertaschen. Als
Dera rtige Spangen, zum Teil aus vergoldeten Kupferlegie-
prägnantes Beispiel so ll die Grabfigur des Pfalzgrafen Hein-
rungen, blieben in skandinavischen Schatzfunden sowie
LITERATUR
rich II. (1050-1095) in der Benediktinerabtei Maria Laach
in Museumsbesitz erhalten (London, Victoria & Albert
Berger 2006.- Berger 2009.- Berger, Malliaris 2007-- DitmarTra uth 2005/2oo6.- Kra bath 2004.- Kra bath 2008.- Kra bath,
Lambacher 2006.
(Eifel) aus der Zeit um 1270/80 angeführt werden. Dort fin-
Museum, lnv.-Nr. 529/1893; Budapest Nationalmuseum).
det sich der Gewandschmuck auf der Tasselschnur und den
Das vor 1361 angelegte Depot von Amunde auf Gotland/
Gewandsäume n. Real überlieferte Stücke li egen in größerer
Schweden enthielt ein mit Löwen und Harpyien dekoriertes
kreuzigten, in mäßiger Qualität.
Daniel BergerundStefan Krabath
Daniel BergerundStefan Krabath
LITERATUR
Berger 2009.- Krabath 2001b.- Krabath 2004.- Krabath, Lambacher 2006.
Zahl beispielsweise aus London vor.
Daniel BergerundStefan Krabath
Vlll.63
v111.6s
GUSSFORM FÜR EINE ACHTPASSFÖRMIGE
GUSSFORM FÜR ÄPPLIKATIONEI\1
LrTERATU R
IN BLÜTEN FORM
Egan, Pritchard 1991.- Krabath 2001b.
SPANGE MIT IMITIERTEM SCHNECKENFILIGRAN
Magdeburg, Regierungsstraße 7-8, vor 1284
Kalkstein, zweischalig, zerbrochen, unvollständig.
Magdeburg, Regierungsstraße 7-8, vor 1284
Kalkstein, einzelnes Teil einer zweischaligen Gussform.
L 11,5 cm, B 8,g cm, S 3,1 cm
L 9,1 cm, B 4,6 cm, S 2,o cm
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen -
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen -
Vlll.64
Anhalt- Landesmuseum für Vorgeschichte, Fund -Nr.1029
Anhalt- Landesmuseum für Vorgeschichte, Fund-Nr. 1107
GUSSFORM FÜR EINE ACHTPASSFÖRM IGE
SPANGE MITTIERDARSTELLUNGEN
Dieses Exemplar zeigt das Negativ einer Spange mit acht-
Magdeburg, Regierungsstraße 7-8, vor 1284
Hierbei konzentrieren sich um den schräg schraffierten ln-
Kalkstein, zweischalig, zerbrochen , unvollständig.
nenrahmen blütenblattartig acht runde, im Abguss durch-
Die zweischalige Gussfo rm , von der nur· eine Hälfte erhalten blieb, war zur gleichzeitigen Herstellung von 14 blütenförmigen Applikationen konzipiert. Bei jedem Beschlag
gruppieren sich um ein e zentrale runde Nabe radialsymmetrisch sechs runde Blütenblätter, dieallesamt mit dem-
passförmigem Außenrand und zugehörigem Spangendom
L 12,2 cm, B 9,6 cm, S 2,3 cm
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen Anhalt- Landesmuseum für Vorgeschichte, Fund -Nr.11 20
selben Kreisaugenbohrer in den Kalkstein eingebracht
brochene Elemente, die Schneckenfiligran imitieren. Ihre
Rahmung greift das Muster des inneren Ringes auf Die
Zwicke l im Außenrand werden durch kreisgefüllte Spitzen
wurden. Das Zentrum lag nach dem Guss als Lochung vor,
gebildet die im abgegossenen Schmuckstück gleichfalls
die durch Einbringen eines separaten r\Jietdornes die Be-
Die aus zwei Teilen zusammengesetzte Form war für die
durchbrachen erscheinen. Auch in diesem Fall hat der Gie-
festigung derBlütenauf einem Trägermcrteria I erlaubte. Auf
Herstellung von Spangen mit achtpassförmigem Außen-
ßer zahlreiche Windpfeifen und interne Kanäle in die Guss-
der angefassten Rückseite findet sich zudem eine singuläre
rand ausgelegt. Der runde innere Rahmen ist mit zahlrei-
form eingearbeitet um die zarten Zierelemente fehlerfrei
Gusskamme rfür einen gleichartigen BI üten besch lagohne
chen brezelartig punktierten Elementen verziert. Darum
abbilden zu können. Im Gegensatz zu anderen Formen des
Gießsystem. Womöglich ist sie deshalb nur als Probegravur
gruppieren sich insgesamt acht auf angedeuteten Säulen
Fundkomplexes zeichnet sich dieses Stück durch seine ex-
498
KAPITEL VIII
STÄDTISCHES LEBEN IM AUFSCHWUNG
499
Vlll.66
SPANGE
Schleswig, Lk. Schleswig-Fien sburg, letztes Drittell 3bis 1. Hälfte 14.Jahrhundert
Blei-Zinn-Legierung. Außen D 8,1 cm, Innen D 2,1 cm
Schleswig, Stiftung Schleswig-Holstei nische Landesmuseen
Archäologisches Landesmuseum Schloss Gottdorf. KS D 375.103
Ein breiter, runder Rahmen mit rechteckigem Fen ster zu r
Aufnahme eines fehlenden Dornes zeigt drei kon zentrische
Zonen: Die se zeigen ein tordiertes Band, einen glatten
Bereich und einen alternierenden We chsel von pl astisch
dekorierten Ha lbkugeln und Blüten, die durch feine Stege
getrennt werden. Der Außenrand wird durch acht dre ieckige, mit Li I ien gefüllte Spitzen gebildet, zwischen denen
punktierte flache Buckel angeordnet sind.
Vl11.66
Das Schmuckstück diente zum Versch luss des Gewandes
Vlll.67
Vll1.68
Vlll.67
in Oberösterreich indiziert eine Verwendung dieser Form
im Bereich des Halsausschnitts. Möglicherwei se zeigten
zellente Gravurqualität aus. Dazu wurden u. a. zirkelartige
derartige Sc hmuckstücke ursprünglich zusätzlich einefarb-
Werkzeuge eingesetzt, die an zentra len Aufsatzpunkten
lich Fa ss ung, die die repräsentative Wirkung noch steigerte.
sowie konzentrisch verlaufenden Ri llen sichtbar we rden.
Vergleichbare Spangen liegen aus einem Berei ch vor, de r
Einsch ließlich des Gusstrichters und der Gusskanäle er-
von Süddeutschland (Tübingen) bis Skandinavien (Lund)
folgten alle Gravurarbeiten nach vorheriger Anritzung.
und von den Niederlanden über die Britische In se l (London)
bis nach Ostdeutschland (Freiberg in Sachsen) reicht. Lo-
Das Schmuckstück ahmt ohne Frage Schneckenfiligran aus
kale Produktion indizierende Gießformen fanden sich u.a.
Edelmeta lldraht nach, das aufgrundder aufwend igen Her-
in Magdebu rg und Lund. Die Spangen aus Blei-Zinn-Legie-
stellungstechnik zu den seltenen Dekaren von Spangen
rungen ahmen in günstigerem Material Ausführun gen in
gehört. ln Europa lassen sich neben dem 1276/ 78 depo-
Kupferlegierungen oder sogar Edelmetall na ch, wie sie in
als Ausführung in Silber um 1278. Belege für das 14. JahrSPANGE
hundert erbrachten die Schatzfunde von Münster in West-
Bodenwerder, Königstraße 1,13- bis 1. Hälfte 14.Jahrhundert
Blei-Zinn -Legierun g, in einer Form gegossen, L 5,0 cm, B 5,1 cm,
S1 cm
falen (verborgen 1341/49) und von Amunde auf Gotland
Beve rn, Weserrenaissance-Schloss, Archäologische Denkmalpflege
fü r den Landkreis Holzminden, Bo 20, NNO-SSW-Profi l, Schicht M
breitung dieser Schmuckform. Schmuckstücke mit runden
(ve rborgen wohl vor 1361). Ein Fragment der Zeit zwischen
1270 bis 1350 aus London zeigt die westeuropäische Verplastisch dekorierten Scheiben am äußeren Rahmen wurden auch in der Magdeburger Gießerei an der Regierungs-
nierten Exemplar aus dem Schatzfund von Fuchsenhof bei
den skandinavischen Schatzfunden überliefert sind.ln die-
Die Spange wurde 1989 bei einer archäologischen Ausgra-
straße 7 -8 hergestellt (unpubliziert, Fundnummer 1121)
Freistadt/Oberösterreich nur wenige ringförmige Vertreter
sem Kontext können die Schmuckdepots von Tru edsfäl lan
bung in einer Planierschicht zusammen mit Mist, Steil-
(Kat Nr Vlll.64 -66, 68, 79)
nachweisen. Einer wurde im Töpfere ibezirk von Laverstock
(Ha i land, Schweden), Badeboda (Sma land, Schweden) und
kämmen, Daubenschalen, einem hölzernen Löffel und
bei Salisbury in Wiltshire/Großbritannien, ein zweiter in
T\l>re (Norrbotten, Schweden) aus dem 14. Jahrhund ert an-
Haushaltskeramik geborgen. Das Feuchtbodenmilieu auf
einer Brandschicht in Waterford in Irland gefunden. Beide
geführt werden. Spangen mit einer vergleichbaren Ge-
ei ner Flussinsel in derWesertrug sicherlich maßgeblich zur
datieren in die Mitte bzw. an das Ende des 13- Jahrhunderts.
staltung des Außenrandes wurden in der Magdeburger Gie-
Erhaltung des Schmuckstücks bei.
LiTERATUR
Die frühesten Belege für Schneckenfiligran bilden jedoch
ßerei an der Regierungs straße hergestellt (unpubliziert,
der um 1183 geschaffene Annoschrein in der Abtei St. Mi -
Fundnummer 1121, Kat.Nr. Vl ll.64- 65, 67-68, 79).
Der sternförm ige Rahmen m it konkaven Seiten läuft an den
Broekhuizen 1992. - Egan, Pritchard 1991. - Krabath 2004. Krabath, Lambacher 2006.
chael zu Siegburg und das Fi ligran am Schrein Karls des
Enden lilienförmig aus. in der Mitte jeder Seite befindet sich
Stefan Krabath
Großen (747-814) im Aa chener Münsterschatz, wahrscheinlich in den n6oer Jahren begonnen und im Beisein
Ka iser Friedrichs II (1194 -1250) am 27-Juli 1215 versch lossen.
Für das Ende des 13-Jahrhunderts lässt sich ein Armre liquiar
Stefan Krabath
ei ne tangential anstoßende gewölbte Scheibe mit plastisc hem Dekor. Auf der Innenseite des Rahmens bildet ein
LiTERATUR
Steg die Achse für eine verlorene Nadel. Nur wenige Stücke
Krabath 2008.- Krabath, Lambacher 2006.
aus Blei -Z inn -Legierungen haben sich erha lten. Ein Exem-
anführen, das inschriftlich der Essener Äbtissin Beatrix von
plar aus Groningen (Niederlande) kann in diesem Zusam-
Holte (1292 -1327) zuzuschreiben ist (Kat.Nr. Vlll.64, 66 -68,
menhang angeführt werden.
Vlll.68
SPANGE
79)
Daniel BergerundStefan Krabath
Derartige Spangen dienten dem Gewandverschluss am
Ha lsausschnitt. Einen frühen Datierungsanha ltspunkt für
LiTERATUR
diese Grundform gibt eine vollplastische Darstellung am
Kra bath 2004.
Bamberger Reiter um 1230. Der Schatzfund von Fuchsenhof
Groß Neuendorf. Lk. Märkisch-Oderland, um 1300
Blei-Zinn-Legierung, in Form gegossen. D 4,3 cm
Zossen, Brandenburgisches セ。ョ、・ウュエ@
für Denkmalpflege
und Archäologisches Landesmuseum, 2oos: m /12/3f10
500
KAPITEL VIII
STÄDT ISCHES LEBEN IM AUF SCHWUN G
501
Vlll.70
Vlll. 6g
Um einen runden Rahmen mit zwei profiliert hervorsprin-
LITERATUR
genden Wülsten im Rand gruppieren sich alternierend ge-
Krabath 2008.- Wittkopp 2005.
Der zweite St reifen besitzt ein en ähnlichen Aufbau. f'Jeben
Vlll.70
unve rzierten und kreuzschraffierten Rechtecken existieren
krönte Häupter und Blüten mit sechs Kronenblättern.
solche mit eingeschriebenen kreuzschraffierten Trapezen.
GUSSFORM FÜR SEGMENTE EINES
Relativ fein ausgeführte Binnenzeichnungen von Tracht,
Der obere Rand wird durch profilierte Stäbe mit kugelför-
KOPFSCHMUCKES (REIGEN)
Gesichtszügen und Haaren wurden mitgegossen. Ein recht-
Vlll.6g
migem Abschluss und gleichermaßen Lilien geziert. Wie
GUSSFORM FÜR SEGMENTE EINES KOP F-
pfeifen an den eher flüchtig gravierten Gussmotiven an.
eckiges Fenster im Rahmen diente zur Aufnahme eines
nicht überlieferten Dornes.
beim anderen Zierstreifen setzen auch hier mehrere Wind -
SCHMUCKES (WAPPENSCHILDE UND LI LIEN)
Magdeburg, Regierungsstraße 7 - 8 , vor 1284
Kalkstein , zerbroc hen, unvoll ständig. L 16,1 cm , 8 6 ,6 cm, St 2,3 cm
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen Anhalt- Lande smu seum für Vo rgeschi chte, Fund -Nr. 202
Zur nicht ganz eindeutigen Trageweise der Gussstücke ver-
Im Bereich der Wüstung Kruschke an einem alten Oderarm
ko nnten beim Bau ein er Sickergrube zwei Spangen gebor-
Magdeburg, Regierungsstraße 7-8, vor 1284
mag die zeitgenössische Steinplastik Anhaltspunkte zu
gen we rd en, eine sternförmige und das vo rliegende Exem-
Kalkstein, zweiteilig, zerbrochen, unvollständig.
geben: Einen mutmaßlich metallenen Kronreif über einem
Wie die Gussform KatNr. V111.6g diente auch diese zum
Futter zeigt die Plastik der Uta im Naumburger Dom aus
Gusszweier ähnl icher, langrechteckiger Stre ifen, die alter-
der Mitte des 13- Jahrhunderts. Zu den ä !testen erhaltenen
nierend mit auf die Spitze gestellten Rauten und Blüten mit
plar. Derartige Spangen dienten zum Verschluss des Obergewandes am Halsausschnitt. Zahlreiche Funde in Mittel-
L 18,3 cm, B 7.2 cm, S 2,0 cm
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachse nAnhalt - Landesmuseum für Vorgeschi chte, Fund-Nr. 204
und Westeuropa deuten eine Herste llung in vie len städti-
Kronen mit Lilienbekrönung gehört ein vergoldetes Stück
sechs Kronenblättern gefüllt sind. Der obere Abschluss wird
schen Zentren an. Einer lokalen Produktion könnte auch das
aus dem vor 1361 verborgenden Schatzfund von Amunde
von zwei bzw. drei schlanken Personen gebildet, die sich mit
Groß Neuendorfer Stück entstammen. Auf der Innenseite
Mit der einseitig gravierten, zweiteiligen Gussform konn-
auf Gotland {Krabath, Lambacher 2006) (Kat.Nr. VIIL70 -72,
angewinkelten Armen an den Händen halten. Eine Person
des Rahmens blieben relativ großflächige Gussgrate und
ten simultan zwei Arten langrechteckiger Streifen herge-
VIIL142).
am Ende trägt eine Lilie in der Hand. Die im Profil wieder-
in anderen Bere ichen Lunker unversäubert, die durch einen
ste llt werden, die man möglicherweise leicht gebogen als
Daniel BergerundStefan Krabath
gegebenen Frauen mit langem Haar und Kopfschmuck und
die Männer mit aufgesetztem Topfheim und hörnerförmi-
unzureichenden Versch lu ss der Gussform bzw. ein en
Krone oder anderweitigen Kopfschmuck über einem tex-
sch lechten Fluss der Speise entstanden. Die St ücke aus
tilen Futter trug. Der eine Streifen zeigt an seiner Basis un-
einer Blei-Zinn- Legie run g stel len Serienprodukte dar, die im
verzierte Abschnitte, die sich mit kreuzschraffierten Recht-
Vergleic h zu äh nli chen Gewandve rschlüssen aus Kupfer-
ecken bzw. so lchen, die mit kreisaugengefüllten Kreisen
frauen am Querhausportal des Magdeburger Domes über-
und Edelmetalllegierungen als günst ige Massenprodukte
dekoriert sind, abwechse ln . Die Kreisaugen hat man in un-
liefert ist. Gesichter und Gewandfalten werden durch feine
anzusprechen sein dürften, wenngleich sich die Ikonogra-
terschiedlicher Anzahl und fast ungeregelt mit Kreisau-
Linien, die Helme der Männer, die in gleicher Weise an der
phie am höfischen Milieu orientiert {Kat.-Nr VIIL64- 67, 79)
genbohrern eingearbeitet. Über jedem Zierfeld entsprin-
Löwenspange {KatNr. Vlll-78) auftauchen, durch Punkte he-
Stefan Krabath
LITERATUR
ger Zimi er tragen die tailliert gegürtete Gewandung des
Krabath, Lambacher 2006.
13 Jahrhunderts wie sie bei den Klugen und Törichten Jung-
gen alternierend stilisierte Lilien und drei unterschiedliche
rausgearbeitet. Der hörnerartige Helmputz versucht wohl
Wappenschi lde, deren Zuweisungaufgrund der feh Ienden
auch zeitgenössische Lebenswirklichkeit zu vermitteln: Eine
Farbigkeit erschwert wi rd .
um 1220 gemalte Darstellung findet sich in der Pfarrkirche
502
STÄDTI SC HES LEBEN IM AU FSC HWUN G
KAPITEL VIII
503
Vlll72
auch hier für eine optimale Entlüftung der Gusshohl räume.
men (Heilige Drei Könige) dargestellt Gießformen liegen
Verglichen mit anderen Gussformen des Magdeburger
aus Magdebu rg (Regieru ngsstra ße 7-8) vor. Chronologisch
Fundkomplexes rang iert das Stück hinsichtlich der Cravur-
können diese Funde in das 13- und die erste Hälfte des
qua lität im Mittelmaß (KatNr.VIII .6g-7o,VII I.72,VI II142)
14. Jahrhunderts gesetzt werden. Der Zinnfigurenstreifen
aus Lund gehört zu den nächsten Parallelen mit profanem
Daniel BergerundStefan Krabath
Bildprogramm der beiden Funde in der Magdeburger Altstadt (KatNr. Vlll142)
Stefan Krabath
Vlll.72
Vlll71
ZINN FIGURENSTREIFEN
St. Cyricus in Berghausen (Sauerland). Wahrscheinlich wird
Vlll.71
mit diesen vermutlich als Kopfschmuck dienenden Streifen
eine Tanzszene wiede rgegeben. Vergleichbarerscheinteine
GUSSFORM FÜR SEGMENTE EINES
Komposition von Tänzern auf einer runden Spange des
KOPFSCHMUCKES (ßOGENARCHITEKTUR
13- Jahrhunderts aus Tübingen (freundliche Mitteilung von
MIT GEKRÖNTEN HÄUPTERN)
Lund, Bezirk Malmöhus, Schweden, um 1200
LITERATUR
Krabath 2008.- Martensson 1976, Abb. 302.
Blei-Zinn -Legierung, in einer Form in einen Stück gegossen.
L 15,4cm
Lund, The Museum of Cultural Hi story, Kulturen , KM 66166:2410
Vlll.73
Birgit Tuchen, Tübingen).
Die Gussform war ausschließlich einseitig verwendbar.
Noch erhaltene Passstifte aus Weißmeta ll sowie leichte
Verfärbungen des Kalksteins bezeugen die Benutzung der
Magdeburg, Regierungsstraße 7-8, vor 1284
Der Zinnfigurenstreifen wurde in der Altstadt von Lund bei
Kalkstein, zweiteilig, zerbrochen, unvollständig.
einer archäologischen Ausgrabung geborgen. Auf einem
L 14,2 cm, B 5,8 cm, St 2,8 cm
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sach senAnhalt- Landesmuseum für Vorgeschichte, Fund -Nr.1050 u.1432
Form zu Gusszwecken. Viele Windpfeifen sowie drei interne
Kanäle gewährleisteten die Entlüftung. Da weder ein Einguss noch Gusskanä le vorhanden sind, könnte es sich um
Die aus zwei Teilen bestehende Form wurde für die Her-
Stab mit D-förmigem Querschnitt gruppieren sich Figuren
GUSSFORM FÜR EINE PFAUENPLASTIK
Magdeburg, Regierungsstraße 7- 8, vor 1284
und Bauwerke mit plastisch gegossener Binnenzeichnung:
Kalkstein, dreiteilig, teilweise zerbrochen, vollständig .
Eine männliche Figurführt einen Vogel (wohl einen Hahn),
a) L 7,3 cm, B 5,3 cm, S 2,5 cm, b) L 7,2 cm, B 5,2 cm, S 2.4 cm,
mutmaßlich mit Hilfe ein er Leine. Dann fehlen ein bis zwei
c) L 7,2 cm, B 4,8 cm , S 1,3 cm
Darstellungen. Daran schließt sich ein vierbeiniges, nicht
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie
Sachsen -Anhalt - Landesmu seum für Vorgesc hi chte,
eine dreiteilige Gussform handeln. Möglich erscheint aber
stel lun g von länglichen Streifen in Form einer vierteil igen
identifiziertes Wesen an. Diesem zugewandt steht ein mit
auch, dass die fehlenden Elemente an der Gegenseite einer
Bogenstellung mit angedeuteten Kapitellen und Basen be-
He im und Panzer gerüsteter Mann. Er greift an den Schweif
ursprüng lich zweiteiligen Form eingraviert waren (Kat.Nr.
nutzt. Jede r randlieh punktgezierte Bogen w ird durch ein
eines abgewandten Pferdes, darauf sitzt ein ger(j steter
Vlll.6g, VIII. 71-72, Vlll142).
kreuzförmiges, mit Kreisaugen geziertes Element gefüllt.
Reiter, der mit seiner rechten Hand ein Schild führt. Dem
Mit dieser Form konnten voll plastische, vermutlich durch
Die Kreisaugen hat man aberma ls mit einem Kreisaugen-
Reiter gegenüber steht ein annähernd identischer Reiter,
Sturzguss hohl gestaltete Pfauenplastiken produziert wer-
bohrer eingraviert. Über jedem Bogenscheitel erhebt sich
der von einer dreitürmigen Burg mit Zinnenbekränzung
den, die ein Rad schlagen. Dazu wurde an zwei gleichartige
ein fronta I blickender mensch Iicher Kopfmit Haarschmuck
kommt
Daniel BergerundStefan Krabath
oder Krone. Möglicherweise handelt es sich auch bei die-
Fund-Nr. a) 10 4, b) 106, c) 107
Formteile, die den Körper des Pfaus bilden, ein drittes Passstück mit dem Schwanz quer dazu angesetzt. Sowohl die-
sem Produkt um das Segment eines mehrteiligen Kopf-
Eine über reine Zierde hinausgehende Funktion des Figu -
ser als auch das gesamte Gefieder des Tieres sind durch
schmuckes. Der hohe Stilisierungsgrad erschwert einen
renstreifens bleibt bislang ungeklärt Möglichweise han-
feine Linien detailliert gezeichnet Lediglich die Beine des
direkten Vergleich zu überlieferten Kunstwerken.
delt es sich um den Besatz von Kleidung oder eines Käst-
Vogels sind als Sockel gehalten, um eine stabile Standflä -
chens. Derartige Zinnfigurenstreifen sind bislang von der
che für das Gussstück zu schaffen. Als weiteres Detail sitzen
Starke Verfärbungen weisen indes auf die Erhitzung und
Briti schen Insel (London),aus Skandinavien, Frankreich (Paris)
auf dem Rücken des Männchens zwei einander zuge -
damit mutmaßlich auf den Gebrauch der Form hin. Mehr
und Magdeburg bekannt geworden. Neben profanen Bild -
wandte Jungtiere, von denen zur Entlüftung Windpfeifen
als 11 Entlüftu ngska nä le und mehrereWind pfeifen sorgten
programmen wie das ritterliche Turnier werden sakrale The-
abzweigen . Solche sind für einen fehlerfreien Guss auch an
504
KAPITEL VIII
STÄDTISCHES LEBEN IM AUFSCHWUNG
VIIL74
Vlll.75
Vlll.73
VOGELPLASTIK
Lübeck, Joha nniskloster, 13--15. Jahrhundert
Zi nn. H 4,6 cm
Lü beck, Bereich Archäologie und Denkmalpflege, HL 31/553
Vlll .74
mit Brüchen, hellen Verfärbungen sowie noch vorhandenen Passstiften aus einer Zinn-Blei-Legierung deutliche
b・ョオエコァウーセN@
VIIL75
Puppenstube bis zu kleinen Kutschen und Kanonen. Später
waren es die Zinnfiguren respektive Zinnsoldaten, die,
Vlll.73
jeder Schwanzfeder angesetzt. Die gesamte Gussform zeigt
505
VOGELPLASTIK
gegossen zwischen Schieferplatten, ihren Siegeszug bei
Kindern und erwachsenen Sammlern antraten.
Der Vogel fand sich zusammen mit anderen Spielzeugfunden- einer Ente, einem Pferdchen, einem Pferdchen-
Die besten Entsprechungen für die mit dieser Gussform
Konstanz, 14. Jahrhundert
Blei-Zinn-Legierung, gegossen. H 4,3 cm
Konstanz, Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg,
gießbaren Figuren stellen mehrere Pfauen des 13.Jahrhun-
044/254, R686
fragment und einem Ritter aus Ton sowie einem Pferd aus
Diese kleine Vogelplastik wurde im Lübecker St Johannis-
Zinn- in einem versandeten Brunnen, der zwar dendro-
kloster gefunden. DerVogel ist aus Zinn gegossen und hohl
chronologisch auf 1211 datiert ist, aber in der Sandablage-
gearbe itet. Eine Guss- oder Lötnaht teilt den Vogel in zwei
rung bis ins 15. Jahrhundert keine Stratigraphie erkennen
derts aus Großbritannien dar. Zwei nahezu g leichgroße
gleiche Längshälften. Die Details sind mitgegossen, es ist
ließ. Vielleicht gehört er wie das LondonerVögelchen in das
Exemplareaus Weißmeta ll, gefunden in Billingsgate in Lon -
keine nachträgli che Bearbeitung der Oberflächeerkenn bar.
späte 13./frühe 14. Jahrhundert.
don, tragen auf ihren Rücken den Erzbischof von Canter-
Die wohl als Spielzeug zu interpretierende Plastik besitzt
Sc hnabe l, Augen und Gefieder sind sorgfältig herausgear-
bury Thomas Becket (1118-70). Beide sind damit klar als
die Gestalt eines schreitenden Raubvogels- wahrschein-
beitet, so dass der Vogel als Adler identifiziert wurde. Unterhal b der Schwanzfedern ist ein kleines Plättchen an-
sakrale Objekte anzusprechen. ln der christlichen Kunst gilt
lich eines Adlers. Flügel und Federkleid wurden im Guss de-
der Pfau als Auferstehungssymbol Im Gegensatz zu den
tailliert wiedergegeben. Die beschädigte Kopfpartie könnte
ge lötet, damit er stehen kann. Er hat aber keine bewegli-
Stücken aus London ist für den Magdeburger Pfauen auch
eine Krone getragen haben, wie sie bei Londoner Funden
chen Elemente wie z. B. der kleine Zinnvogel aus London, bei
eine rein profane Deutung als Spielzeug denkbar (Kat Nr.
erhalten blieb (Kat Nr Vlll73, 75).
dem man durch Herunterdrücken des Schwanzes den Eindruck erwecken kann, die Zunge des Vogels schnelle im
Vlll.]4-76)
5tefa n Kra bath
Daniel Bergerund 5tefan Krabath
mit anderen Plastiken, bei denen es sich um Spielzeug hanLITERAlU R
LiTERATUR
Mitchiner 1986,5.27-29.
Schnabel vor und zurück. Da der LübeckerVogel zusammen
Ausst.-Kat. Zürich/5tuttgart 1992, 5. 392-395, hier 5. 394 Abb.
(Judith Oexle).- Mitchiner 1986,5.197-198, Kat.Nr. 683-684.
delt, gefunden wurde, ist er vielleicht auch als Spielzeug zu
verstehen.
Es gibt in den Statuten der Zinngießer in Nürnberg im
16. Jahrhundert die Erlaubnis, dass sie >>Kindswerk« herstellen durften. Und diese Gegenstände deckten- wie
auch in London- seitdem das gesamte Spielzeugspektrum
ab, von Geschirr für die Puppenküche über Möbel für die
Doris Mührenberg
LITERATUR
Gläser 1989.- Oltmanns 1996.
506
KAPITEL
STÄDTISCHES LEBEN IM AUFSCHWUNG
VIII
507
hensweise lässt sich beispielhaft an einer Reiterplastik aus
dem 13- oder 14. Jahrhundert aus London nachvollziehen,
die man ohne Zweifel mit einer nahezu identischen Gussform wie der aus Magdeburg herstellte (Spencer 1998, Fig.
297a). Ähnlich konstruierte Figuren sind auch aus mittel alterlichen Fundzusammenhängen aus Konstanz belegt
(Aikemade 1990). Der Fund aus Magdeburg gehört zu den
frühesten Belegen hohl gegossenerTierplastiken, die wahrscheinlich als Spielzeug interpretiert werden können
(Kat.Nr. Vlll73 -75, Vlll77).
Daniel BergerundStefan Krabath
LITERATUR
Alkemade 1989.- Spencer 1998.
Vlll.76
V/ll.76
V/11.77
GUSSFORM FÜR EINE REITERPLASTIK
PFERDEPLASTIK
Magdeburg, Regierungsstraße 7-8, vor 1284
KaI kstei n, viertei Iig, zerbrochen, u nvollstä nd ig.
a) L 9,7 cm, B 10.4 cm, St 3.4 cm; Kern (1024): L 5,0 cm, D 2.1-3,7 cm
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-
Kon sta nz, 14 Jahrhundert
Blei-Zinn-Leg ierung, hohl gegossen. H 4,2 cm
Konstanz, Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg,
044/2 54, R 687
Anhalt- Landesmuseum für Vorgeschichte, Fund-Nr. a) 108,1022,
b) 1024
Die kleine Plastik stellt ein wohlgenährtes, detailrei ch modelliertes Pferd dar. Feine Einzelheiten wie Mähne, Satte l
Die zwe ischalige Gussform diente zur Herstellung von Voll-
und Zaumzeug wurden mitgegossen. Ein ehemal s wo hl
plastiken in Form eines aufgezäumten Pferdes mit Reiter.
vorhandener Reiter fehlt. Der Guss wurde hohl ausgeführt
Sta rke Krustenbildungen an der Oberfläche zeugen vom
um das relativ wertvolle Metall zu sparen. Durch die lange
Gebrauch der Form, lassen aber durch Abplatzungen das
Lagerung des Fundes im Boden wurde der Körper stellen-
Motiv gleichzeitig nur schwer erkennen. Dennoch ist zu
weise deformiert.
Vlll.77
LITERATUR
Ausst.-Kat. Zürich/Stuttgart 1992, S. 392-395, hier S. 394, Abb.
(Jud ith Oexle)
sehen, dass Details wie Schweif, Mähne, Zaumzeug sowie
Gesicht und Kleidung des Reiters detailliert. wenngleich in
einen vo ll plastisch gegossenen steigenden Löwen mit
verschlungenem Sc hwanz dar. Beide Hinterläufe sind ab gebrochen. Der relativ schIechte Erhaltungszustand erschwe rt eine gezielte Ansprache der Funktion. Wahrsche inli ch handelt es sich um eine Kleiderapplikation oder
Die Miniatur stellt wohl ein Spielzeug dar. Es vermittelt
mäßiger Qualität ausgeführt wurden. Die Gussform besitzt
einen kleinen Einblick in die Lebenswirklichkeit der Kinder
drei Öffnungen, von denen nur die obere als Einguss fun-
des späten Mittelalters. Unter den bei archäologischen Aus-
Rückseite eine mitgegossene Nadel, die zur Befestigung auf
gierte. Die unteren beiden dienten der Aufnahme von Guss-
grabungen mannigfach geborgenen Sp iel zeugen domin ie-
textilem Untergrund diente, während Haken- bzw. Ösen-
kernen, die die Ausgestaltung der Pferdebeine ermög-
ren keramische Ausführungen. Metallfiguren stellen eine
li chten. Einer dieser Kerneinsätze (1024) hat sich im Bestand
ausgesprochene Seltenheit dar, da die Stücke in der Regel
der Gießerei erha lten und zeigt quer zu seiner Längsachse
aufgrunddes hohen Metallwertes wieder eingeschmolzen
verlaufende Rillen, die aus der Bearbeitung auf einer Dreh-
wurden. Wahrschein lich handelt es sich bei den Konstan-
bank resultieren.
zerFunden (Kat.Nr. Vlll74) um unbeabsichtigte Verluste. Sie
Vlll.78
LÖWENPLASTIK
einen Gewandverschluss. Applikationen besitzen auf der
verschlüsse an ihrem Rahmen aufgenäht wurden. Für die
Bernshausen, Lk. Göttingen, 14. Jahrhundert
Blei-Zinn-Legierung, gegossen, stark korrodiert. L 1,9 cm, B 1,6 cm
Göttingen, Archäologie Landkreis Göttingen, Bernshausen, Fdst. 2,
Sonderfund-Nr. 111
letztgenannte Variante spreche n die Durchbrüche zwi schen den Vorderläufen und am Schwanz des vorl iegenden
Fundes. Haken bzw. Ösen ragten über den tiergestaltigen
Rahmen hinaus und konnten ineinandergehängt werden.
Sti listisch erinnert das Stück an Verschlüsse des 14. Jahr-
gehören zu den ältesten Metallspielzeugen in Mitteleu ropa.
Anders als beim Pferd sind die Extremitäten des Reiters
Eine farbliehe Fassung kann angenommen werden, blieb
Bei Oberflächenbegehungen der Kreisarchäologie Göttin -
hunderts aus Edelmetall, wie sie im norddeutschen und
nicht in der Gussform angelegt. Sie wurden vermutlich
jedoch nicht erhalten.
gen im Zuge der archäo log ischen Untersuchungen im Be-
südskandinavischen Raum üblich waren. Anzuführen ist in
reich des mittelalterlichen Zentra lortes Bernshausen wurde
diesem Kontext der Schatzfund von Pritzwalk (verborgen
die Löwenplastik vom Acker aufgelesen. Der Bleiguss stel lt
na ch 1392),jedoch kann das Verschlussprinzip bereits in der
separat in einer zweiten Gussform gefertigt und im Nachhinein an den Figurenkörper angelötet. Die gleiche Vorge-
Stefan Krabath
508
STÄDTISCHES LEBEN IM AUFSCHWUNG
KAPITELVIII
Die trapezförmige Form besitzt auf drei der planen Seiten
Die floralen Applikationen dürften stilistisch am ehesten in
Gusskammern für wappenschildförmige Anhänger mit
das 13- Jahrhundert gesetzt werden. Unklar bleibt die Ein-
nach rechts steigendem Löwen innerhalb eines geperlten
ordnung ihrer Funktion. Textilapplikationen im Bereich der
Randes, Applikationen in Form von Wein mit fein ausge-
Kleidung wären denkbar, ohne dass Belege dafür angeführt
führten Trauben und Laub sowie Ohrlöffel. Auffallend er-
werden können.
Stefan Krabath
scheint die Verschiedenartigkeit der Blattformen des Weins:
Neben Weinlaub könnten die Blätter eines Hahnenfußgewächses wiedergegeben worden sein. Die Produkte bestanden mutmaßlich aus Blei-Zinn-Legierungen.
Die Blätter der Applikationen wurden in einen mit dem Zirkel vorgerissenen Kreis graviert. Im Umfeld der Gusskammern sind Formschlösser und Windpfeifen zu erkennen.
Eine Schmalseite besitzt noch eine weitere Kammer für die
Herstellung kegelförmiger Gegenstände mit rundem Kopf.
Vlll78
Vlll79
Mitte des 13- Jahrhunderts an der Steinplastik des Mag-
wird. Der äußere Ring besitzt als zusätzliches Dekor einen
chen Bra unschwe ig bekannt geworden sind. Die jeweiligen
deburger Doms beobachtet werden. Auch relativ weiche
punktierten Außenrand. Der Dorn wurde bei beiden Span-
Gegenseiten der Form fehlen. Die relativ klein dimensio-
Bleilegierungen wurden für solche Gewandverschlüsse ver-
gen wiederum simultan mitgegossen. Feine Linien um die
nierte Öse am oberen Rand des wappenförmigen Anhän-
wendet. Einen Hinweis darauf liefert eine Gussform aus
Gussmotive und para llel zum Rand der Gussform zeigen,
gers spricht am ehesten für den Einsatz im Bereich der
dem Fundkomplex an der Magdeburger Regierungsstraße
dass der Gravur an diesem Fundstück ebenfalls Vorzeich-
Tracht. Zeitgleiche Stücke vom Pferdegeschirr besitzen dem-
(Kat.Nr. Vlll)g).
nungen vorausgingen. Insgesamt zeichnet sich das Guss-
gegenüber ein Scharnier als Aufhängung.
Möglicherweise handelt es sich bei den letztgenannten
Produkten um Ohrlöffel, wie sie aus dem spätmittelalterli-
werkzeug durch eine qualitativ hochwertige Ausführung
Stefa n Kra bath
LITERATUR
Grate 2003, S. 45, Tf. 1.8 u. 30 unten.- Krabath, Lambacher 2006.
der Gravuren aus.
Die stilistische Nähe der Löwenspange zu Werken der Kleinplastik wie beispielsweise einem Samsanleuchter au s dem
Schaalsee bei Lübeck (Berlin Kunstgewerbemuseum, Museen Preußischer Kulturbesitz, lnv.-Nr. Lg. 508) legt eine
Entstehung in der ersten Hälfte des 13.Jahrhunderts nahe.
Diesem chronologischen Ansatz widerspricht auch trotz
Vlll.79
einer längeren Laufzeit die Form des Topfhelmes mit Zimier
nicht (Kat.Nr Vlll64-68).
GUSSFORM FÜR SPANGEN
Daniel BergerundStefan Krabath
IN FORM ZWEIER LÖWEN
Magdebu rg, Regierungsstraße 7-8, vor 1284
Kalkstein, zweischalig, beidseitig graviert, unvollständig, zerbrochen
L s.o cm, B 8,3 cm, St 2.1 cm
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie SachsenAnhalt- Landesmuseum für Vorgeschichte, Fund -N r. 301
Vlll. 8o
Mit dieser Gussform war vorderseitig die Herstellung einer
GUSSFORM FÜR ANHÄNGER,
Spange in Formzweier einander zugewandter, steigender
APPLIKATIONEN UND OHRLÖFFEL
Löwen möglich, die einen Topfheim flankieren. Die Rückseite diente hingegen dem Guss großer scheibenförmiger
Spangen mit vegetabilem Muster, das sowohl nach innen
als auch nach außen von einem Ring aus abwechselnd
kreuzschraffierten und ungefüllten Vierecken eingerahmt
Magdeburg, Breiter Weg 20.13 Jahrhundert
Feinkörniger Kalkstein, geschliffen, graviert, gebohrt, poliert,
thermische Veränderungen durch den Gussvorgan g,jeweils
Gege nseite der Form fehlt. H 8,7 cm, B 8,2 cm, St 2,0 cm
Magdeburg, Kulturhistorisches Museum, 89:4
509
Vll18o
LITERATUR
Krabath 2001b, S. 267-269.- Lungershausen 2004.
510
KAPITEL
VIII
STÄDTISCHES LEBEN IM AUFSCHWUNG
aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bekannt, und
511
Durchbrochene Hohlkugeln aus Weißmetall sind bislang
im Ständebuch von Hans Sachs erklärt der Spiegler, wie er
im archäologischen Kontext nur se lten überliefert. Ver-
den Spiegel herstellt: Er hinterlegt das Glas mit Blei, drech-
gleichbare Funde von der Britischen Insel stellen teilweise
se lt den hölzernen Rahmen und fasst ihn farbig. Und schon
Rasseln dar, da sie Klappersteine enthalten. Das unversehrte
ist ein schöner Spiegel fertig!
Konstanzer Stück dürfte als Riechkugel (B isamapfel) zu interpretieren sein. Im mitteldeutschen Bereich wird ein Fund
Spiegel hatten auch Symbolcharakter, so konnten sie zer-
aus Halle an der Saale vom Händelhauskarree entstanden
brechen und kein ganzheitliches Bild mehr abgeben , sie
sein. Zu erwähnen ist noch ein spätmittelalterlicher Bo-
waren auch das Symbol für Eitelkeit und so ist vielleicht
denfund aus Wroclaw/Breslau (ul. Szewska, freundliche
auch die Zahl von zweimal sieben Zinnauflagen symbolisch
Mitteilung von KrzystofWachowski).
gemeint. Dass mittlerweile sieben hölzerne Spiegelrahmen
in Lübeck gefunden worden sind, ist Zufall und kann sich
Der mittelalterliche Mensch erachtete üble Gerüche (Mi-
durch weitere Funde auch schnell wieder ändern. Nur de r
asmen) als gesundheitsgefährdend und Ursache verhee-
vorgestellte Spiegel hat Zinnauflagen, die anderen zeich-
render Seuchen. Dieser Gefahr versuchten woh lhabende
nen sich durch gedrechselte Verzierungen aus, die sich aber
Personen dadurch zu begegnen, dass sie Riechkugeln mit
überwiegend auf der Rückseite befanden, so dass davon
sich führten. Diese enthielten wahrscheinlich Kräuter, ein
ausgegangen werden muss, dass diese Spiegel mit der Unterseite nach oben vielleicht aufTruhen, Tischen oder Ähn-
Gewebe oder Pflanzenfasern, die mit intensiv duftenden
Vlll.82
Substanzen getränkt waren. Besonders gefragt waren als
lichem lagen, ähnlich wie die Handspiegel auf un seren
Vlll.81
Vlll.81
SPIEGELRAHMEN
ungravierten Oberfläche ab, so dass beim Gießen nur die
Ambra. Zu den seltenen bildliehen Darstellungen gehört
gelrahmen aus Lübeck gesellt sich auch eine kleine Spie-
dünnen, quergerippten Stege der Riechkugel abgeformt
die Riechkugel auf dem Tafelbild des Konstanzer Patriziers
geldose, die als Taschenspiegel genutzt wurde. Zwar ging
wurden. Aufgrund ihres komplexen Aufbaues hat der Gie-
Heinrich Blarer von Hans Murer dem Älteren (vor 1446-
der Deckel der hölzernen Dose verloren, dafür hat sich das
ßer auch an dieser Form Entlüftungskanäle mit Querver-
86/87) aus der Zeit um 1460 (Konstanz, Rosgartenmuseum,
Glas erhalten. Doch durch die Lagerung im Boden ist es zer-
bindungen angelegt, wobei sich vier an Formteil1 (a) und
lnv.-Nr. M 15)
sprungen und blind geworden.
doppelt so viele an Formteil 2 (b) befinden. Zusätzlich sind
Lübeck, 14. Jahrhundert
Doris Mührenberg
Holz, Zinn. D 20,0 cm
Dieser Spiegel muss an derWand ein prächtiges Bild abge-
Stefan Krabath
auch hier Windpfeifen auf den Passflächen vorhanden.
Formteil1 weist im Gegensatz zum anderen Passstück helle
LITERATUR
Verfärbungen der Oberfläche auf, die auf eine starke Erhit-
Ditmar-Trauth, Petzschmann 2001, S.130, Taf. 37-1.- Mitchiner 1986,
LITERATUR
zung des Kalksteins und damit auf die Benutzung der Guss-
5. 41-44.- Planck 1994,5.258, Abb.
Ausst.-Kat. Braunschweig 1985, Bd. 1, Kat.Nr. 149,212 (Max Ha sse).Falk 2001, S. 57-- Krueger 1990.
form hindeuten.
Lübeck, Bereich Archäologie und Denkmalpflege, 025IEH 1
geben haben. Der 3,7 cm breite Rand der runden Grund-
Duftstoffe Bibergeil, Bisam, Zibeth und Moschus oder
Flurgarderoben. Zu den sieben erwähnten hölzernen Sp ie-
scheibe aus Fichtenholz war fast vollständig mit runden
Daniel BergerundStefan Krabath
und rechteckigen Zinnauflagen bedeckt, und zwar jeweils
sieben an der Zahl. Die Medaillons sind bis auf spärliche
Reste verschwunden, von den rechteckigen Auflagen sind
Vlll.82
sechs zu einem Drittel erhalten, davon zwei fast vollständig.
Man kann ein Tier auf diesen Auflagen erkennen, womög-
GUSSFORM FÜR EINE RIECHKUGEL
lich einen stilisierten heraldischen Löwen. Der innere und
der äußere Rand des Rahmens waren ehedem von einer
schmalen Borte aus Zinn umsäumt. Diese ging ebenso ver-
Magdeburg, Regierungsstraße 7-8, vor 1284
Vlll.83
Kalkstein, fünfteilig. a) L 9,7 cm, 8 4,2 cm, St 3,6 cm,
b) L 9,5 cm, B 4,2 cm, s 3,5 cm
loren wie das Glas des Spiegels. Nur die Reste einer gips-
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen -
artigen weißen Masse sind noch vorhanden. Hierbei kann
Anhalt- Landesmuseum für Vorgeschichte, Fund-Nr. a) 907, b) 908
RIECHKUGEL (BISAMAPFEL)
Konstanz, Fischmarkt, 14. Jahrhundert
es sich um den Befestigungsring handeln, mit dem das Glas
Blei-Zinn-Legierung, hohl gegossen. D 4,5 cm
eingekittet wurde und der auch verhinderte, dass die
Konstanz, Archäologisches Landesmuseum, 01/986, R 2100
Schnittkanten des Glases zu sehen waren. Häufig war der
Die komplexe Gussform bestand ursprünglich aus vier na-
Befestigungsring eingefärbt oder sogar verziert. Es gibt
hezu gleichartigen Formteilen, in die je ein Vierte l einer
beim Lübecker Spiegel Hinweise darauf, dass die Spiegel-
netzartig durchbrochenen Riechkugel eingearbeitet ist.
migen Schlaufen dar. Die Zwickel der vorn plastischen und
fläche nur wenig gewölbt war.
Jedes Achtel des Kugelmantels wird durch quergerippte
rückseitig planen Stege werden durch zierende runde Bu-
Der kugelförmige Hohlguss stellt ein Netz mit rautenför-
Stege gebildet, die einen Dreipass ergeben. Um die Kugel
cke l gefüllt. Ein früher Produktionsnachweis noch im
Hinweise auf Spiegel mit Gla s gibt es seit dem 12.Jahrhun-
hohl zu gestalten, musste vor dem Gießen ein Gusskern in
13-Jahrhunde rt kann in Magdeburg (Gießere i komplex in der
dert, ein >>Rezept« zur Herstellung von Verspiegelungen ist
Kugelform eingelegt werden. Dieser schloss bündig mit der
Regierungsstraße 7-8, vgl. Kat.Nr. Vlll.82) geführt werden.
Vlll.83
512
KAPITEL
STÄDTISCHES LEBEN IM AUFSCHWUNG
VIII
den stilisierten Blättern der Baumkrone sitzen auf den
v1 11.8s
GUSSFORM FÜR EINEN LÖFFEL
Magdeburg, Johanniskirchhof 13 Jahrhundert
Feinkörniger Kalkstein, Schmalseite abgebrochen,
zweite Formhälfte fehlt, geschliffen, graviert, poliert
L10,35 cm, 5,0 cm, H 2,8 cm
Magdeburg, Kulturhistorisches Museum, JK 16 506, 46/8o
Zweigen zwei zur Mitte gewandte Vögel. Im Vergleich zur
Gussform aus der Regierungsstraße 7-8 in Magdeburg (vgl
Kat.Nr. 84) zeigt das vorliegende Exemplar eine deutlich andere Formgebung und andere Bearbeitungsspuren, so dass
von mindestens zwei Werkstätten ausgegangen werden
kann, die in Magdeburg derartige Löffel produzierten. Von
einer großen Serie fertiger Stücke ist auszugehen, die nicht
nur in Magdeburg, sondern auch im weiteren Umfeld abgesetzt worden sein dürften (Kat.Nr. Vlll.87).
Die Gussformhälfte diente zur Herstellung von Löffeln mit
Stefan Krabath
spitzovaler Laffe und tordiert gestaltetem Griff. Am Über-
Vlll84
gang zwischen beiden Teilen befindet sich ein Nodus.ln die
Vll l.84
vordere, plane Seite wurden Windpfeifen und ein Form-
LITERAlU R
schloss sowie die Gusskammer ei.ngearbeitet. Die gerun-
Asmus 2000, Bd. 1, S. 187, Abb- Nickel1964, S.43-44, Tf. 65 f.
dete Rückseite weist eine leichte Facettierung auf.
GUSSFORM FÜR EINEN LÖFFEL
Magdeburg, Regierungsstraße 7-8, vor 1284
Kalkstein, dreiteilig, zerbrochen, unvollständig.
L 13,6 cm, B 5,1 cm, St 2,7 cm
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie SachsenAnhalt- Landesmuseum für Vorgeschichte, Fund-Nr.1506
Die Innenseite der Laffe wird durch zwei Personen (Adam
und Eva) in zeittypischer Tracht, d. h. in gegürtetem langem
Gewand, beiderseits eines stilisierten Baumes geziert. Beide
Vlll.86
durch stilisierte Pflanzen gerahmte Figuren halten sich mit
einer Hand am Stamm des Baumes fest, während der andere Arm angewinkelt inderTailleabgestützt ist. Zwischen
Die Gussform bestand ursprünglich aus drei Teilen, wovon
jedoch nur eines fragmentiert vorliegt Sie konnte zur Produktion von Löffeln, vermutlich mit spitzovaler Laffe und
Vl1186
LAFFE
Magdeburg, Allee-Center, um 1200
Zinn. Ovales, dekoriert gegossenes Blechstück, Fragment
L 5,2 cm, B 4,1 cm, D o,8 mm
Halle, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie SachsenAnhalt- Landesmuseum für Vorgeschichte, 51951259-65
S-förmiger Kurve über den Leibern. Das Maul und der
Schnabel sind leicht geöffnet. Die Tierleiber wirken schon in
ihren Umrissen wenig naturalistisch,ja beinah heraldisch in
ihrer Stilisierung und bekommen durch die Innenstruktur
kanneliert profiliertem, sechskantigem Stil, eingesetzt wer-
aus verschiedenartig angeordneten Linien einen Zug ins
den. Die Unterseite der Laffe trägt ein achsensymmetri-
Abstrakte. Das Bild wirkt gekonnt und stimmig. Die Auftei-
sches Dekor, bestehend aus achtblättrigen Blüten, und ein
Die ursprünglich gewölbte Form der Laffe war bei Auftin-
Motiv, das als Vorhang oder Bogenstellung interpretiert
dung stark verbogen, der Stiel des Löffels fehlt. Durch das
lung nutzt die gesamte gebotene Fläche und bezieht die
ungewöhnliche spitzovale Form ein. Auf der Rückseite sind
werden könnte. Das Ende des Stils wurde durch Einlegen
Abbrechen des Stiels entstand die ca. 4 x 4 mm große Be-
zwei gegenständige Fischleiber in der Länge der Laffe dar-
eines Kerns als Ringöse ausgeführt Die dafür notwendige
schädigung am Blech. Das spitze vordere Ende fehlt hier ist
gestellt Sie weisen einander die Bauchseite zu und enden
Aussparung hat man bei einer zusammengesetzten Form
der Rand auf ca. 10 mm Länge unregelmäßig aufgebogen.
jeweils Kopf an Schwanz. Die Fische sind im selben Stil ge-
durch Bohrung eingebracht. Das zeigen spiralförmig ange-
Beide Seiten der Laffe tragen bildliehe Darstellungen Auf
arbeitet wie die vorderseitige Da rstellung. Sie sind annä-
ordnete Rillen an der unteren Bruchkante. Die Gussform
der inneren Seite- also in der Wölbung- ist in der Mitte
hernd identisch. Der Stielansatz des Löffels ist mit einer
zeigt außer einer dünnen, teilweise abgeplatzten Kruste
ein Laubbaum dargestellt, dessen Stamm die Bildflächen
einzeln liegenden, glockenförmigen Blütendarstellung ver-
sowie den Brüchen keine weiteren Anzeichen, die auf ihre
mittig in zwei Flächen teilt und dessen Krone das obere
ziert.
Benutzung hinweisen könnten.
Drittel der Laffe ziert. Er wächst aus einem stilisierten Erdhügel, am unteren Abschluss der Laffe. Die Baumkrone ist
Stilistisch entsprechen sich die Darstellungen auf beiden
Löffel aus Zinn-Blei- oder Blei-Zinn-Legierungen sind aus
symmetrisch aufgebaut. Das obere Blatt ist durch die rand-
Seiten der Laffe. Alle drei dargestellten Tiere- Greif, Löwe,
dem Mittelalter mit mehreren Beispielen überliefert. Auch
liehe Beschädigung nur zu zwei Dritteln erhalten, ließe sich
Fisch -waren in der mittelalterlichen christlichen Kunst als
Gussformen kommen vereinzelt vor, so zum Beispiel von
aber zeichnerisch mit einiger Sicherheit rekonstruieren, da
Christussymbole gebräuchlich. Jedes Tier stand für einen
einer anderen Stelle in Magdeburg und aus einer Zinn-
die Blattspitze an der Spitze der Laffe selbst endet. Trotz der
Aspekt Christi: Der Greif als Mischwesen aus Adler und
werkstatt in Zerbst in Sachsen-Anhalt (Kat.Nr. Vlll.8s-87).
Stilisierung hat der Baum Ähnlichkeit mit einer Linde.
Löwe für Christus als »König des Himmels und der Erden«,
der Löwe steht als >>König der Tiere<< für die Macht und
Daniel BergerundStefan Krabath
LITERAlU R
Asmus 2000, Bd. 1, S. 187.- Berger, Malliaris 2007.- Krabath 2001b.
v11185
Den Stamm flankieren zwei Tiere, links ein Löwe, rechts ein
Stärke Christi, die Fische stehen seit dem Altertum für meh-
Greif. Beide stehen in Seitenansicht und blicken einander
rere Aspekte: Als Erkennungszeichen der frühen Christen,
auf gleicher Höhe an.Jedes Tier hebt wie zum Gruß ein Bein,
als Symbol für die Taufe sowie für die Wundertaten Christi
der Löwe das linke, der Greif das rechte, mit offener Tatze
in Form der >>Speisung der Fünftausend<<. Ernst Nickel pu-
bzw Klaue. Die Schweife sind erhoben und schwingen in
blizierte 1964 einen Altfund vom Johanniskirchh of, das